Führungskraft = Coach? Ein weit verbreitetes Missverständnis?
Der Trend, dass Führungskräfte auch als Coach ihrer Mitarbeitenden agieren sollen, setzt viele unter Druck. Typische Fragen lauten: „Ich habe doch gar keine Coaching-Ausbildung!“ oder „Und was soll ich denn noch alles machen?“
Die Unsicherheit ist nachvollziehbar – denn häufig besteht Unklarheit darüber, was unter Coaching überhaupt zu verstehen ist. Kein Wunder: Der Begriff ist nicht geschützt und wird sehr unterschiedlich verwendet.
𝗗𝗲𝘀𝗵𝗮𝗹𝗯 𝗹𝗼𝗵𝗻𝘁 𝘀𝗶𝗰𝗵 𝗲𝗶𝗻𝗲 𝗱𝗶𝗳𝗳𝗲𝗿𝗲𝗻𝘇𝗶𝗲𝗿𝘁𝗲 𝗕𝗲𝘁𝗿𝗮𝗰𝗵𝘁𝘂𝗻𝗴.
Ich selbst war viele Jahre parallel zu meiner Führungsverantwortung als externer Coach tätig. Diese Erfahrung hat mir deutlich gezeigt, wie wichtig Rollenklarheit ist. Denn auch, wenn Gespräche mit Mitarbeitenden manchmal wie Coaching wirkten – sie sind es nicht. Und genau das sollte offen angesprochen werden.
Führungskräfte übernehmen viele Rollen, zum Beispiel: Entscheiden, Fördern, Fordern, Befähigen, Netzwerken. Coaching-Instrumente können dabei unterstützen – aber das macht Führungskräfte noch nicht zu Coaches.
𝗪𝗼𝗿𝗶𝗻 𝗹𝗶𝗲𝗴𝘁 𝗱𝗲𝗿 𝗨𝗻𝘁𝗲𝗿𝘀𝗰𝗵𝗶𝗲𝗱?
Hier einige zentrale Punkte:
👉 Eine Führungskraft wird zugewiesen. Einen Coach wählt man freiwillig.
👉 Eine Führungskraft ist ergebnisverantwortlich. Coaching ist ergebnisoffen – die Umsetzungsverantwortung liegt beim Coachee.
👉 Führungskräfte sind weisungsbefugt. Coaches arbeiten neutral und spiegelnd im Sinne von "Hilfe zur Selbsthilfe".
👉 Führungskräfte vertreten Unternehmensinteressen. Diese können mit den Interessen der Führungskraft oder der Mitarbeitenden übereinstimmen, müssen es aber nicht. Coaching richtet sich nach den Interessen des Coachees.
👉 Eine Führungskraft darf parteiisch sein. Coaching verlangt professionelle Neutralität.
𝗗𝗶𝗲 𝗥𝗼𝗹𝗹𝗲𝗻 𝘇𝘂 𝘃𝗲𝗿𝗺𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻, 𝗸𝗮𝗻𝗻 𝘇𝘂 𝗞𝗼𝗻𝗳𝗹𝗶𝗸𝘁𝗲𝗻 𝗳ü𝗵𝗿𝗲𝗻.
Ich rate deshalb davon ab, sich pauschal als „Coach“ zu bezeichnen – wie es in manchen Führungsansätzen propagiert wird.
Besser: Situativ Coaching-Instrumente anwenden – professionell, transparent und mit klarer Rollendefinition. Beispiele sind: gezielte Fragen, Perspektivwechsel, Visualisierung, Rollenspiele oder Videoanalysen zur Reflexion.
𝗪𝗮𝗻𝗻 𝗯𝗿𝗮𝘂𝗰𝗵𝘁 𝗲𝘀 𝗲𝘅𝘁𝗲𝗿𝗻𝗲 𝗖𝗼𝗮𝗰𝗵𝗲𝘀?
Bei Themen mit hoher Emotionalität oder Konfliktpotenzial ist externe Unterstützung wertvoll – zum Beispiel durch Mediation, bei Führungsherausforderungen, Karriereentscheidungen, Transformationsprozessen, Reflexion von Umgang mit Macht.
Wenn ich mit Führungskräften über diese Unterschiede spreche, löst sich oft der Druck. Die Rollen werden klar und es entsteht Lust, die vielfältigen Möglichkeiten gemeinsam mit dem Team zu entdecken.
👉 Kennst du die Erwartung, zugleich führen und coachen zu sollen?